Rügenwalder Mühle ist der Inbegriff für (Leber-)Wurst. Wann und warum wurde die Entscheidung getroffen, fleischlose Produkte zu entwickeln?

Claudia Hauschild (Leiterin Unternehmenskommunikation): „Die Rügenwalder Mühle war schon immer mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit nah an den Verbraucher*innen dran. Wir hören genau hin, woran diese interessiert sind. Und so haben wir sehr früh beobachtet, dass immer mehr Menschen sich Alternativen zu Fleisch oder Wurst wünschen. Dabei ging es weniger darum, dass die Menschen den Geschmack von Fleisch nicht mögen. Vielmehr ging es um Aspekte wie Gesundheit, Ethik und Umweltschutz. Als innovatives Familienunternehmen hat die Rügenwalder Mühle das als Chance begriffen. Denn es gab einen Bedarf an Alternativen, die genauso einfach zubereitet und lecker sein sollten wie die Klassiker aus Fleisch. Daher haben wir uns als erstes, rein fleischverarbeitendes Unternehmen dazu entschlossen, uns neben dem klassischen Sortiment auch in Richtung pflanzliche Alternativen zu orientieren. Ende 2014 wurden unsere ersten fleischfreien Produkte eingeführt.“

„Anfangs wurden wir belächelt oder kritisiert.“

Welche Erfahrungen hat Rügenwalder mit dem Paradigmenwechsel zu fleischlosen Produkten bislang gemacht?

Hauschild: „Für unseren Schritt vom Wursthersteller zum Lebensmittelunternehmen, das Produkte sowohl aus tierischen als auch aus pflanzlichen Proteinen herstellt, wurden wir anfangs noch belächelt und kritisiert. Doch unser Mut zur Veränderung zahlte sich aus und wir haben damit erneut bewiesen, dass Innovationen fester Teil unserer Unternehmens-DNA sind. Denn gleich mit ihrer Einführung waren unsere vegetarischen und veganen Produkte ein echter Erfolg bei den Verbrauchern – und daran hat sich bis jetzt nichts geändert. Im Gegenteil: Wir sind heute einer der bekanntesten Markenhersteller im Bereich der Fleischalternativen und gelten als Pionier in diesem Bereich.“

Welche Entwicklungen erkennt Rügenwalder Mühle auf dem Markt der Fleischindustrie und wie fließen diese in die eigene Produktion ein?

Hauschild: „Verbraucher wollen heute genau wissen, welche Inhaltsstoffe ihre Lebensmittel enthalten, wie die Produkte produziert werden und wo die Rohstoffe herkommen. Bei klassischer Wurst und Fleisch spielt zudem noch das Thema Tierwohl eine immer größere Rolle. Für uns gilt schon immer: Wir wollen den Verbrauchern unser Bestes bieten. Die Produkte sollen richtig lecker schmecken und die Verbraucher ein gutes Gefühl haben, wenn sie unsere Produkte essen. Egal ob mit oder ohne Fleisch. In diesem Sinne arbeiten wir stetig an einer Verbesserung unserer Rezepturen. Für uns ist es immer schon wichtig, unsere Zutatenlisten so kurz wie möglich zu halten und diese immer weiter aufzuräumen. Darunter dürfen jedoch weder die Produktsicherheit noch der Geschmack leiden. Zudem achten wir genau darauf, wo unsere Zutaten herkommen. Unser Fleisch beziehen wir von nur sieben Lieferanten, mit denen wir bereits seit Jahren eng zusammen arbeiten. Und wir setzen uns für eine Verbesserung der Haltungsbedingungen ein. So sind wir unter anderem im vergangenen Jahr der Masthuhn-Initiative der Albert Schweitzer Stiftung beigetreten und unterstützen das Projekt „Skyline“, mit dem für mehr Tierwohl in der Schweinehaltung geforscht wird.“

„Alle Ernährungsweisen haben ihre Berechtigung.“

Müssen sich die Kunden darauf einstellen, dass es irgendwann nur noch fleischlose Produkte von Rügenwalder Mühle geben wird?

Hauschild: „Nein, das müssen sie nicht, denn wir sehen uns als Lebensmittelhersteller mit zwei Standbeinen: Produkte aus tierischen und aus pflanzlichen Proteinen. Fleisch und Veggie – wir machen beides und wir lieben beides! Und wir stellen beides mit der gleichen, großen Leidenschaft her und werden dies auch künftig tun. Wir möchten nicht missionieren und diskriminieren, denn alle Ernährungsweisen haben ihre Berechtigung und jeder Kunde kann frei auswählen.“

Inwiefern arbeitet Rügenwalder beim Thema „fleischlose Ernährung“ mit externen Experten zusammen?

Hauschild: „Unser Anspruch ist es, Alternativen zu entwickeln, die ganz genau so schmecken, aussehen und den gleichen Biss haben wie ihre Vorbilder aus Fleisch. Und wer kann das besser als ein Unternehmen mit über 180 Jahren Tradition und entsprechendem Know-How in der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren? Aber vor allem zu Beginn, als der Markt für Fleischalternativen noch neu für uns war, hat uns die Zusammenarbeit mit Experten, allen voran dem ProVeg, sehr geholfen. Wir legen sehr viel Wert auf eine eigene starke Forschung und Entwicklung, die in unserer Versuchsküche mit ganz normaler Küchentechnik unsere Produkte kreiert. Aber natürlich spielt der Austausch mit externen Experten auch weiterhin eine wichtige Rolle. Gerade wenn es darum geht, das Thema „alternative pflanzliche Proteine“ generell weiter voranzubringen ist es wichtig, dass Wirtschaft, Landwirtschaft, Politik und Forschung an einem Strang ziehen.“

„Der Erfolg hat die Zweifler überzeugt.“

Wie reagieren eigentlich Ihre Mitarbeiter*innen auf fleischlose Produkte? Können sie sich mit damit identifizieren?

Hauschild: „Am Anfang gab es natürlich Mitarbeiter*innen, die den Plänen, fleischfreie Produkte ins Sortiment aufzunehmen, etwas skeptisch gegenüberstanden. In einem Unternehmen, das bis dahin seit 180 Jahren ausschließlich Wurst aus Fleisch hergestellt hatte, ist das ja auch völlig nachvollziehbar. Die Mitarbeiter*innen ins Boot zu holen war daher ein ganz wichtiger erster Schritt. Aber der große Erfolg unserer Produkte hat schnell auch die Zweifler überzeugt. Inzwischen stehen alle Mitarbeiter*innen fest hinter unserem Sortiment – ob mit Fleisch oder ohne.“